Rückfall in die Prämoderne

Moderne Gesellschaften und Staatswesen geben sich an mehreren Merkmalen zu erkennen. Eines dieser Merkmale: das Gewaltmonopol des Staates. Bestimmte Organe des Staates sollen zum Schutz der Staatsbürger, zur Wahrung von Recht und Gesetz bewaffnet sein, die Masse der Staatsbürger jedoch soll in der Regel nicht bewaffnet sein.  Das gehört unveräußerlich zur Modernität. Vorbei die  eher mittelalterlichen Zeiten, da jedermann mit den Waffen seiner Zeit herumrannte und sie nach Gutdünken einsetzen konnte.

Vormodern fällt dagegen ein Zusatz zur Verfassung der Vereinigten Staaten aus,  der seit 1791 in Kraft ist: „Das Recht des Volkes auf den Besitz und das Tragen von Waffen  darf nicht beeinträchtigt werden.“ Auf diesen das moderne Gewaltmonopol des Staates unterlaufenden Passus griffen fünf der neun Richter des Obersten Gerichts der USA zurück, als sie vorgestern eine von kommunalen Behörden der Stadt Chicago verhängte Beschränkung des privaten Waffenbesitzes außer Kraft setzten. Mit Sicherheit werden nun auch in anderen Landesteilen einschlägige Beschränkungen aufgehoben. Eine  Reprivatisierung der Waffengewalt kommt auf Touren, ein Rückfall ins Vormoderne.

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Ein Kommentar

  1. Werter Herr Schmidt!

    Ein (Gesellschafts-)Vertrag wird geschlossen. Der Staat erhält das Gewaltmonopol, der Bürger die Garantie, sein (ökonomisches) Treiben im Rahmen von Recht und Gesetz in Sicherheit abwickeln zu können.
    Dies ist eins der Merkmale moderner Gesellschaften.

    These Nummer 1:
    In einem Land, in dem Jahrzehnte Rassendiskriminierung herrschte, d.h. das Gewaltmonopol des Staates zur Wahrung von Unrecht per Gesetz mobilisiert wurde, in dem auch heute noch Polizeiwillkür in Wildwestsheriffmanier verübt wird und in dem der armselige Hispanic vor dem Gesetzt weniger zählt als der wohlhabende, in einem solchen Staat stellt das gestärkte “Recht des Volkes auf den Besitz und das Tragen von Waffen” meines Erachtens keinen Rückfall in die Vormoderne dar. Vielmehr ist es, ebenso wie die beschriebenen Zustände selbst, Beweis dafür, dass dem Land bis heute der Schritt in die Moderne noch gar nicht gelungen ist.

    These Nummer 2:
    In einem Land, in dem das “Recht des Volkes auf den Besitz und das Tragen von Waffen” beton wird, zeigt sich ein Misstrauen gegenüber dem eigenen (Gesellschafts-)Vertrag. Der Staat besitzt zwar das Gewaltmonopol, aber – sicher ist sicher – das Volk bleibt bewaffnet, denn es ist auf der Hut. Damit fehlt dem Vertrag sein Fundament: Vertrauen. Der Schritt in die Moderne aber, ist ohne Vertrauen nicht denkbar. Der Pionier, getragen von der Hoffnung auf eine bessere, neuartige Zukunft, ist geradewegs durch eine Art Übervertrauen in seinen neuen Weg gekennzeichnet. Er lässt vom Alten, Verkrusteten, Überkommenen los und öffnet sich dem Neuen. Wo dieses Element des Loslassens im Vertrauen auf gesellschaftlicher Ebene fehlt, muss dem betreffenden Land attestiert werden (Ihr Beispiel ansprechend), dass es irgendwo zwischen Vormoderne und Moderne stehengeblieben ist.

    Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und erholsame Ferien.
    P. Krüger

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