Immanuel Kant hat bekanntlich einen besonderen Idealismus gestiftet, einen transzendentalen, den er vom überkommenen Idealismus wie von einem materialen unterschied. Danach sind Raum und Zeit Anschauungsformen, Vorstellungsarten. Das heißt, Raum und Zeit existieren nicht an sich, sondern nur für uns. Sie sind „nichts an sich selbst und außer meinen Vorstellungen Existierendes, sondern selbst nur Vorstellungsarten“ (Prolegomena, Kants gesammelte Schriften, Bd. IV, S. 341/42). Analoges gilt für jedes räumlich Gegebene, für alles räumlich Beschaffene, für jeglichen Gegenstand in Raum und Zeit. „Wenn ich von Gegenständen in Zeit und Raum rede“, sagt Kant, „so rede ich nicht von Dingen an sich selbst, darum weil ich von diesen nichts weiß, sondern nur von Dingen in der Erscheinung, d. i. von der Erfahrung als einer besondern Erkenntnißart der Objecte, die dem Menschen allein vergönnt ist.“ (Ebenda, S. 341). Beliebige Dinge können also räumlich gegeben sein, räumlich beschaffen sein, im Raum sein nur als Erscheinungen, allein in der Form, in welcher sie uns erscheinen und von uns vorgestellt werden, ausschließlich als Gegenstände der Erfahrung. Nur für uns. Wie dagegen die Dinge, auf die unsere Vorstellungen und Begriffe Bezug nehmen, an sich selbst beschaffen und gegeben sind, können wir nicht wissen; es läßt sich lediglich negativ von ihnen sagen, daß sie mit Sicherheit nicht räumlich gegeben und beschaffen sind. Alles Räumliche ist ein solches nur für uns, und wie immer die Dinge an sich selbst beschaffen sein mögen, auf alle Fälle nicht räumlich.
Also bestehen gar keine äußeren Gegenstände, keine außer uns befindlichen? Sie bestehen sehr wohl, nur eben nicht wie etwas an sich Seiendes. Es „sind uns Dinge als außer uns befindliche Gegenstände unserer Sinne gegeben, allein von dem, was sie an sich selbst sein mögen, wissen wir nichts, sondern kennen nur ihre Erscheinungen, d. i. die Vorstellungen, die sie in uns wirken, indem sie unsere Sinne afficiren.“ (Ebenda, S. 289). Ganz merkwürdige räumliche Gebilde zeichnen sich da ab: Dinge, die – so wie sie uns und nur uns gegeben sind – dennoch als außer uns befindliche Gegenstände gegeben sind. Betrachten wir sie genauer. Das sind nicht einfach äußere Dinge und nicht etwa Dinge außerhalb der Erfahrung. Es sind Gegenstände der Erfahrung, und alle Gegenstände der Erfahrung sind „nur in der Erfahrung gegeben und existiren außer derselben gar nicht.“ (Kritik der reinen Vernunft, Kants gesammelte Schriften, Bd. III, S. 339). Mehr noch. So etwas wie ein Außer-der-Erfahrung kann es – unter den eingangs markierten Voraussetzungen – gar nicht geben. Zwar lassen sich von den Erfahrungsgegenständen und Erscheinungen, durchaus die Dinge, wie sie an sich selbst sind, unterscheiden, aber diese Dinge können sich doch weder außerhalb noch innerhalb von irgendwas befinden, weil ihnen Räumlichkeit schlechthin und überhaupt abgeht. Ein Mißverständnis, zu sagen, die Dinge an sich selbst befänden sich außer der Erfahrung. Und wie jegliches Außer-der-Erfahrung beim transzendental idealistischen Raum schlechtweg unmöglich ist, so befinden sich auch „außer uns befindliche Gegenstände der Sinne“ keineswegs außer der Erfahrung. Allein in der Erfahrung können Dinge als außer uns befindliche Gegenstände gegeben sein. Wie ist das möglich? Wie verträgt sich dieses „außer uns“ mit jenem „in“? Durch eine Asymmetrie von Dasein und Sosein. Das eine ist es, wie die fraglichen Gegenstände gegeben sind, das andere, als was sie gegeben sind. Da sind sie ausschließlich in der Erfahrung. Und als was sind sie da? Als außer uns befindliche. So sind sie. Ihre Befindlichkeit außer uns ist reines Sosein, im Unterschied zu ihrem Dasein, zu ihrer Gegebenheit in der Erfahrung. Diese Asymmetrie von Dasein und Sosein charakterisiert den transzendental idealistischen Raum recht weitgehend.