Ist es nicht gerecht, einen Mörder zur Strafe zu töten? Er hat einen Menschen umgebracht und wird dafür seinerseits getötet. Was er anderen angetan, widerfährt ihm nun selbst. So wird Gleiches mit Gleichem vergolten, äquivalent. Und tatsächlich, bindet man Gerechtigkeit an die Äquivalenz von Tat und Vergeltung, erscheint die Todesstrafe für Mörder als gerecht. Nur muß man dann bei anderen Straftaten genauso verfahren. Körperverletzung muß dann mit Körperverletzung bestraft werden, Beleidigung mit Beleidigung usw. Und das wird schon erheblich weniger einleuchten. Ja, bei vielen Delikten scheint das undurchführbar. Wie wollte man dann Kinderschändung vergelten?
Ideengeschichtlich hat das Prinzip der Äquivalenz von Tat und Vergeltung eine beträchtliche Rolle gespielt. Bei bestimmten Aspekten der Gerechtigkeit wird das Prinzip bis heute realisiert. Man denke nur an die Leistungsgerechtigkeit: ein bestimmtes Quantum geleisteter Arbeit wird mit dem äquivalenten Quantum vergegenständlichter Arbeit in Geldform vergütet. Bei der Entwicklung ihres Strafrechts hat die abendländische Kuktur allerdings einen anderen Weg beschritten. Nicht das Prinzip „Gleiches mit Gleichem vergelten“ ist dafür grundlegend geworden, sondern die Fundierung durch die Menschenrechte, zu denen auch das Recht auf Leben und auf körperliche Unversehrheit gehören. Danach schied die Toderstrafe aus dem Kreis gerechter Bestrafungen genauso aus wie die Folter aus dem Arsenal legitimer Verhörmethoden. Denn das Recht auf Leben und körperliche Unversehrheit als Menschenrecht bedeutet: Was immer ein Mensch´anstellt, niemals und nirgendwo darf dafür ihm das Leben genommen und sein Körper gequält werden. Das ist die Konsequenz aus einem strikten Verständnis der Menschenwürde.